ROCK HARD Festival 2019

Amphitheater Gelsenkirchen, 07. - 09. Juni 2019

Prolog

Gespräch im Auto auf der Hinfahrt - kurz vor Gelsenkirchen:

Mitfahrer:

"Scheiße, habe meine Kutte vergessen!"

Fahrerin:

"Sollen wir umdrehen?"

Weiterer Mitfahrer:

"Hol dir die doch nach dem Konzi heute."

Um es vorab zu verraten: es ging irgendwie auch mal drei Tage ohne...


Nach etwas verlängerter Stau-Anfahrt aus Düsseldorf gibt es Begrüßungs-Thrash mit VULTURE.

Danach folgen die rheinländischen Death Metal-Durchstarter CHAPEL OF DISEASE. Durchstrukturierte, spannungsgeladene, bisweilen verspielte, progressive, überlange Songs, die trotzdem ordentlich nach vorne ballern. Hier also schon das erste Festival-Highlight - wobei die ersten drei Scheiben ja im Rock Hard (und nicht nur da) zu Recht ordentlich abgefeiert wurden. Selten so abwechslungsreichen Death Metal gehört.

Punkiges aus der Nachbarstadt Dortmund bieten THE IDIOTS. Naturgemäß gehen dabei die Geschmäcker auseinander. Metalheads im engeren Sinne können also mal was quatschen, shoppen und die sanitären Anlagen besuchen.

Mit TYGERS OF PAN TANG startet eine Reise in die 1980er Jahre des NWOBHM in der eher rockenden Variante und es gibt die ersten zehn Minuten Regen im Amphiteater.

Nach LIZZY BORDEN - genau, die mit GIVE 'EM THE AXE - kommt auch schon der Tages-Headliner WATAIN. Und nun wird es finster, obwohl es noch gar nicht finster ist. Eine Black Metal-Band geht ja beim RHF immer und hier passen Optik und Mucke prima zusammen.

Samstagmittag gibt es mit TYLER LEADS Nachbarschaftsbesuch aus Recklinghausen. Aufweck-Metal mit Spaß in den Backen.

Drei Musizierende im Altersschnitt von Mitte 20 kredenzen Mucke mit 70er Jahre-Flair: VINTAGE CARAVAN. DüsseldorferInnen kennen die Isländer vielleicht von ihren Auftritten im Rock'n'Roll Headquarter PITCHER. Wer noch nicht das Vergnügen hatte: demnächst sind sie auf Tour mit OPETH.

Bei CARNIVORE A.D. erinnern sich manche an Peter Steele-Zeiten. Beherzt-heftige Riffs, die schwer zu erschüttern belieben - so soll das.

HEIR APPARENT präsentieren dann traditionellen pathetischen Heavy Metal der etwas unspannenderen Art. Melodisch-bombastisch geht der New Jersey-Fünfer SYMPHONY X zu Werke, die bereits vor 21 Jahren beim Rock Hard Festival aufgespielt haben (damals noch nicht im Amphitheater).

"Stimmungskanonen gefallen auch PazifistInnen" steht nun bei SKID ROW in meinem Old School-Schreibblock - und dann wird das wohl auch stimmen. Party people come on and go wild!

Und einen doppelten Regenbogen siehste auch nicht alle Tage.

Zum Auftritt von CANNIBAL CORPSE vermerkt das Rock Hard in einer Pressemitteilung:

"Am Samstag hatte es noch Aufregung um den Auftritt von Cannibal Corpse und ein „geleaktes“ Schreiben des Ordnungsamtes Gelsenkirchen gegeben. »Es gibt eine Person, die einen in unseren Augen wenig sinnstiftenden „Privatkrieg“ gegen die Band und Teile der Metal-Szene führt. Die dadurch betroffenen Beamten und Verwaltungsangestellten können einem nur leid tun. Ich hoffe, unsere freundlichen Fans haben die Staatsschützer und Stadtangestellten, die zu Pfingsten nicht bei ihren Familien sein konnten, wenigstens auf Bier und Bratwurst einladen können."

Wer davon mitbekam schüttelte den Kopf - wer nicht propellerte einfach ordentlich ab.

HAIL TO THE METAL ist die Devise bei GAMMA RAY, mit denen Kai Hansen (HELLOWEEN) gewohnt hymnischen Power Metal bietet, bei dem auch reichlich mitgesungen wird.

Der Sonntags-Tages-Opener THE SPIRIT beginnt bei herrlichem Sommer-Sonne-Wetter und noch  ohne uns. Da leider, leider, leider die einzige Doom-Band des Festivals - Wino mit THE OBSESSED - abgesagt haben, folgt leider kein Subgenre-Ersatz, sondern gefühlvoller gitarrenorientierter Blues Rock mit ZODIAC. Die Münsteraner hatten 2017/18 eine Pause eingelegt und haben offensichtlich wieder Freude am gemeinsamen Musizieren.

Der Hype um die Epic Power Metaller VISIGOTH erschließt sich mir nicht. Strunznormaler Durchschnitts-Metal - tut nicht weh, aber auch nicht gut. Und so stellt eine gesellige kleine Runde bei einem kühlen Bierchen fest, dass Geschmäcker nun einmal verschieden sind und nicht alle Bands allen gefallen können.

Zum zweiten Mal auf die Bühne kommt nun ZODIAC-Drummer Janosch Rathmer, nun mit seiner Stammband LONG DISTANCE CALLING. Instrumental Post Rock ist auch für ein üblicherweise eher gemischtes RHF-Programm durchaus ungewöhnlich, aber die Publikumsreaktionen liegen deutlich über freundlich-wohlwollend. Und da sag nochmal jemand, dass Metalheads musikalisch verbohrt sind!

FIFTH ANGEL ist die nächste Veteranen-Band mit leichtem HEAVEN AND HELL-Einschlag. MAGNUM wird vorab schon mal als Kuschel Soft Metal verortet, aber was nun kommt ist unterhaltsamer, druckvoller Melodic Hard Rock mit Bewegungsaufruf. Eine positive 8-Punkte-Überraschung, um es mal im Rock Hard-Bewertungssystem einzuordnen. Gefällt nicht nur CRAZY OLD MOTHERS!

Zu POSSESSED sei Jens (31) zitiert: "Authentischer Stil von damals. Death Metal! Immer noch richtig geil!" Beeindruckend auch die Power des seit 19 Jahren durch eine Schussverletzung im Rollstuhl sitzenden Sängers Jeff Becerra. Da kreisen die Matten!

CAUGHT IN A MOSH! Mehr muss wohl zum abschließenden ANTHRAX-Auftritt nicht gesagt werden.

Zufriedene Gesichter allüberall & Verabschiedungen bis zum nächsten Jahr (spätestens) oder gleich vorm Hotel (frühestens).

Bleibt nur eine Frage:

War da tatsächlich keine einzige Frau in 22 Bands?

Fotos: Alex (Regenbogen), Peter (Possessed, Anthrax), Elke (letztes Foto im Text), Risa (alle anderen Fotos)

Text: Günni